Heutige Folgen einer Wiederholung vergangener Erdbeben in der Schweiz
Die Folgen, die heute ein Erdbeben hätte, das vergleichbar stark wie bekannte historische Erdbeben ist, wurden in mehreren Studien abgeschätzt.
Das grösste in der Schweiz historisch dokumentierte Erdbeben erschütterte 1356 Basel mit einer Magnitude von 6.6. Ein solches Beben heute könnte gemäss einer Shakemap des SED in der ganzen Schweiz verspürt werden:

Die Wiederholung eines solchen Bebens könnte gemäss Szenario Seismo12 die folgenden Auswirkungen haben:
- 1'000 - 6'000 Tote
- 60'000 Schwer- und Leichtverletzte
- 1.6 Mio kurzfristig Obdachlose
- 50 - 100 Milliarden CHF Sachschäden
Eine Studie der Swiss Re kommt sogar zu dem Ergebnis, dass ein M 6.4 - 6.8 Beben in Basel etwa 2 Mio. Menschen betreffen würde und der wirtschaftliche Schaden bei etwa 120 Mrd. CHF läge. Auch ein M 6.2 Beben in der Zentralschweiz könnte demnach Auswirkungen auf etwa 0.5 Mio. Menschen haben und 17.6 Mrd. CHF Schaden verursachen.
Erdbebenzonen der Schweiz
Die Schweiz ist geografisch seit der Revision der Norm SIA 261 (2020) in fünf verschiedene Erdbebenzonen eingeteilt. Das Mittelland zwischen dem Genfersee und dem Bodensee weist eine relativ geringe Erdbebengefährdung auf (Zonen 1a und 1b). Das Berner Oberland, Teile der Innerschweiz, das St. Galler Rheintal sowie das Engadin sind stärker gefährdet (Zonen 1b und 2), und in Basel und im Wallis ist die Wahrscheinlichkeit von starken Erdbeben erheblich (Zonen 3a und 3b). Die örtlichen geologischen Verhältnisse können allerdings zu lokalen Unterschieden in der Erdbebengefährdung führen, die so bedeutend sind wie die Unterschiede zwischen den einzelnen Zonen. Auch in Zone 1 gibt es daher zahlreiche Gebiete mit erhöhter Erdbebengefährdung.
Die Erdbebenzonen und seismischen Baugrundklassen sind über die Kartendienste des Bundes abrufbar map.geo.admin.ch indem nach "Erdbebenzonen SIA 261" bzw. "seismische Baugrundklassen" gesucht wird.

Erdbebenzonen SIA 261 (2020). Bildquelle: map.geo.admin.ch, © Daten: swisstopo, BAFU
Erdbebengefährdung
Wo kleine Beben vorkommen, treten über kurz oder lang auch grössere Erdbeben auf. Diese weltweit gültige Beobachtung leitet sich von der Tatsache ab, dass die Erdkruste von einer Vielzahl von Brüchen und Störungen aller Grössenordnungen, vom Mikroriss bis zur mehreren 100 km langen Verwerfung, durchzogen ist. Das gesetzmässige Verhältnis von schwachen zu starken Erdbeben ist eine direkte Folge des Verhältnisses von kleinen zu grossen Brüchen in der Erdkruste. Diese Gesetzmässigkeit erlaubt uns, aus der statistischen Verteilung schwacher Erdbeben die Wahrscheinlichkeit des Auftretens starker Beben und somit die Erdbebengefährdung in einem bestimmten Gebiet zu berechnen.

Die vom Schweizerischen Erdbebendienst SED 2015 publizierte Gefährdung der Schweiz.
Erdbebenmagnitude - Erdbebenintensität
Die Stärke eines Erdbebens wird mit zwei grundsätzlich verschiedenen Grössen beschrieben. Einerseits ist das die Magnitude, welche ein Mass für die im Herd freigesetzte seismische Energie darstellt und welche aus den Maximalausschlägen der Seismogramme berechnet wird. Sie wurde vor rund 60 Jahren vom Kalifornischen Seismologen C. Richter eingeführt und wird daher als Wert auf der Richter-Skala angegeben. Ein Unterschied einer Magnitudenstufe entspricht etwa einem Faktor 30 in der freigesetzten Energie.
Andererseits reden wir von der Intensität, welche die Auswirkung des Erdbebens auf Mensch, Natur und Gebäude beschreibt. Die Auswirkungen werden entsprechend einer zwölfstufigen Intensitätskala klassifiziert. Zwei der gebräuchlichsten Skalen sind die EMS98- und die Mercalli-Skala. Das Visper Beben von 1855 erreichte eine maximale Intensität von 9, was der Stufe "verwüstend" entspricht. Bei dieser Intensität reagieren die Menschen mit Panik, es entstehen starke Schäden an schwachen Gebäuden sowie Schäden auch an gut gebauten Häusern, unterirdische Rohrleitungen brechen, in der Natur treten Bodenrisse auf und es ereignen sich Bergstürze sowie zahlreiche Erdrutsche. Entsprechend der Herdtiefe und der Beschaffenheit des lokalen Untergrundes können zwei Erdbeben gleicher Magnitude sehr unterschiedliche Intensitäten aufweisen.
Erdbebenmessnetze in der Schweiz
Seit ca. 1975 betreibt der Schweizerische Erdbebendienst, SED, an der ETH-Zürich ein hochempfindliches Seismometernetz zur Überwachung der seismischen Aktivität in der Schweiz und in den angrenzenden Gebieten. Dieses Netz besteht aus über die ganze Schweiz verteilten Stationen, deren Signale kontinuierlich an die Auswertezentrale in Zürich übermittelt werden.
Um die hohe Empfindlichkeit zu gewährleisten, stehen die Seismometer des Überwachungsnetzes an abgelegenen Orten auf festem Fels. Daher können die entsprechenden Daten nur wenig über die zu erwartenden Erschütterungen in den besiedelten Gebieten, wo die gefährdeten Bauwerke stehen, aussagen. Zur direkten Erfassung dieser für das Erdbebeningenieurwesen relevanten Daten betreibt der Schweizerische Erdbebendienst seit einigen Jahren ein landesweites Netz von Starkbebenmessgeräten, die die Beschleunigungen von Erdbeben, welche auch von der Bevölkerung gespürt werden, aufzeichnen.
Zusätzlich zum Freifeld-Messgerätenetz sind mehrere grosse Stauanlagen in den Schweizer Alpen mit Beschleunigungsmessgeräten ausgerüstet. Diese Talsperren-Messgerätenetze liefern wichtige Daten über die Freifeldbewegungen, die effektiven Bewegungen bei den Widerlagern und die dynamischen Antworten der Talsperren. Aus der Analyse dieser Daten lassen sich die dynamischen Eigenschaften der Bauwerke ableiten (Eigenfrequenzen, modale Verformung, Energiedissipation). Ausserdem sind als Teil der Sicherheitsauflagen auch alle Kernkraftwerke der Schweiz mit eigenen Beschleunigungsmessgeräten ausgerüstet.
Ungünstiger Untergrund verschärft die Erdbebengefahr
Die Erfahrungen aus den vergangenen starken Erdbeben zeigen, dass die stärksten Schäden nicht auf die unmittelbare Nähe des Erdbebenherdes beschränkt sein müssen, sondern dass sie auch in grossen Entfernungen auftreten können. Sowohl 1985 in Mexico City als auch 1989 in San Francisco traten die grössten Schäden in mehreren 100 km Entfernung vom eigentlichen Epizentrum auf. In beiden Fällen führte ein besonders weicher Untergrund zu einer Aufschaukelung der Erdbebenwellen und somit zu einer erheblichen Verstärkung der Erschütterungen. Besonders verheerend sind diese Effekte, wenn die dominierende Schwingungsfrequenz im Untergrund mit derjenigen der Gebäude übereinstimmt. Solche Zustände lassen sich durch geziehlte Baugrunduntersuchungen feststellen und bei der Bemessung und dem Entwurf der Gebäude berücksichtigen. In Kobe 1995 sind Gebäude auf weichem Untergrund entlang ganzer Strassenzüge eingestürzt oder wurden schwer beschädigt, während einige Strassen entfernt die genau gleich konstruierten aber auf festem Untergrund stehenden Gebäude unbeschädigt geblieben sind. Hätte man der unterschiedlichen lokalen Beschaffenheit des Untergrundes bei der Konstruktion Rechnung getragen, wären wesentlich weniger Opfer und wesentlich geringere Schäden zu beklagen gewesen.
Mikrozonierung
Die Auswirkungen eines Erdbebens auf ein Gebäude oder eine Anlage sind nicht nur von der im Herd abgestrahlen Energie (Magnitude) abhängig sondern in besonderem Masse auch von der Beschaffenheit des lokalen Untergrundes. Eine Mikrozonierung dient dazu, die lokalen geologischen und geotechnischen Eigenschaften des Untergrundes zu erfassen und direkt in die zu erwartende Verstärkung oder Abschwächung der Erdbebenerschütterungen umzusetzen. Die Resultate solcher Mikrozonierungsstudien werden in detaillierten Karten dargestellt und erlauben es dem Bauingenieur, die Bauten gezielt im Hinblick auf die zu erwartenden Erdbebeneinwirkungen zu dimensionieren.
In der Schweiz sind Mikrozonierungen z.B. für Basel und für einige Städte der Kantone Waadt und Wallis verfügbar. Die Spektren dieser Mikrozonierungen sind in der Regel über die regionalen Geoviewer abrufbar, z.B. Waadt und Basel.
Gefährdung - Verletzbarkeit - Risiko
Das Erdbebenrisiko ergibt sich aus dem Zusammenwirken der Erdbebengefährdung, der Amplifikation der Bodenbewegungen durch den Untergrund, der Verletzbarkeit der menschlichen Infrastruktur und der möglichen daraus entstehenden Verluste. Eine Strohhütte, auch wenn sie in einem seismisch extrem aktiven Gebiet steht, ist kein Risikofaktor. Hingegen stellt ein nicht erdbebensicheres Schulhaus oder eine falsch dimensionierte Industrieanlage auch in einer Gegend schwacher Erdbebenaktivität ein erhebliches Risiko dar.
Die Verletzbarkeit eines Bauwerks bei einem Erdbeben hängt von verschiedensten Faktoren ab. Verletzbar sind zum Beispiel Bauten mit «weichen» Erdgeschossen oder sehr unregelmässigen Tragstrukturen. Weitere Faktoren, die die Verletzbarkeit beeinflussen sind unter anderem die Art der Tragstruktur und des Baumaterials sowie das Alter des Gebäudes (Bemessen für Erdbebeneinwirkung?).

Bildquelle SED.
Weitere Informationen sowie ein Risikorechner finden sich auf der Webseite des SED.
Risiken aus Naturgefahren
Lawinenwinter wie der 1998/99 sind nicht häufig. Zwischen zwei solchen liegen meist viele Winter mit wesentlich geringeren Personen- und Sachschäden. Andererseits gibt es - zwar noch seltener, aber doch immer wieder - Winter mit noch grösseren Schäden; so waren zum Beispiel 1950/51 in der Schweiz über 70 Lawinentote zu beklagen.
Statistiken erlauben, das mittlere jährliche Risiko abzuschätzen. Dazu tragen die über längere Zeiträume je nach Winter sehr unterschiedlichen Schadenereignisse bei. Das mittlere jährliche Risiko ist ein wichtiges Merkmal auch anderer Naturgefahren, und es kann zu Vergleichen benützt werden.
Naturgefahren treten zeitlich sehr unregelmässig und als unterschiedlich grosse Ereignisse auf. Einen Extremfall bilden die Erdbeben. Grossereignisse sind relativ selten; wenn sie aber auftreten, sind ihre Folgen katastrophal. In der Schweiz gibt es klassische Erdbebengebiete, wie z.B. das Wallis oder die Gegend von Basel, wo sich immer wieder zerstörerische Erdbeben ereignet haben. Aber auch dort erlebt nicht jede Generation ein Schadenbeben. Deshalb ist die Erdbebengefahr im Bewusstsein der Allgemeinheit nur wenig präsent. Neuere Studien weisen jedoch auf ein grosses mittleres jährliches Risiko hin.